DER STEINERNE WALD
Hurra«-Rufe schallten durch die Menge. Eragon
saß auf einer der hölzernen Tribünen, die die Zwerge rund um
Bregans äußere Mauer aufgestellt hatten. Die Festung erhob sich auf
dem abgeflachten Rücken des Berges Thardûr, mehr als eine Meile
über der nebelverhangenen Talsohle. Von hier aus konnte man
meilenweit in jede Richtung blicken oder bis die zerklüfteten Berge
die Sicht versperrten. Wie Tronjheim und die anderen Zwergenstädte,
die Eragon besucht hatte, bestand auch Bregan ausschließlich aus
abgebautem Stein - in diesem Fall aus rötlichem Granit, der den
Zimmern und Korridoren im Inneren Behaglichkeit und Wärme verlieh.
Die Festung selbst war ein massiver, dickwandiger Bau, der sich
über fünf Stockwerke zu einem offenen Glockenturm erhob, den eine
tränenförmige Glaskugel krönte. Sie war doppelt so hoch wie ein
Zwerg und wurde von vier Granitsäulen getragen, die sich zu einem
spitzen Schlussstein zusammenfügten. Die Glaskugel war, wie Orik
Eragon erklärt hatte, eine größere Version der flammenlosen
Laternen der Zwerge, und bei gebührenden Anlässen oder im Notfall
konnte man damit das gesamte Tal in goldenes Licht tauchen. Die
Zwerge nannten die Kugel Az Sindriznarrvel, das Juwel von
Sindri.
Rings um die Festung drängten sich
zahlreiche Nebengebäude, Wohnquartiere für die Diener und Krieger
des Dûrgrimst Ingietum, Ställe, Schmieden und eine Kirche, die
Morgothal gewidmet war, dem Zwergengott des Feuers und dem
Schutzpatron aller Schmiede. Weiter unterhalb der hohen, glatten
Festungsmauern standen auf den Waldlichtungen Dutzende Bauernhöfe
mit Steinhäusern, aus denen graue Rauchfahnen aufstiegen.
All das und noch vieles mehr hatte Orik ihm
gezeigt und erklärt, nachdem die Zwergenkinder den Drachenreiter
unter lauten »Argetlam!«-Rufen in den Innenhof der Festung geleitet
hatten. Orik hatte Eragon wie einen Bruder empfangen und ihn zu den
Bädern geführt. Nachdem der Neuankömmling sich gewaschen hatte,
ließ der Zwerg ihm ein purpurnes Gewand und einen goldenen
Stirnreif bringen.
Anschließend überraschte Orik Eragon, indem
er ihm Hvedra vorstellte, eine helläugige, apfelgesichtige
Zwergenfrau mit langem Haar, und voller Stolz verkündete, dass sie
nun seit zwei Tagen miteinander verheiratet waren. Während Eragon
sein Erstaunen zum Ausdruck brachte und ihnen gratulierte, trat
Orik von einem Fuß auf den anderen und entgegnete dann: »Es
schmerzt mich, dass du der Zeremonie nicht beiwohnen konntest,
Eragon. Ich ließ einen unserer Magier Kontakt zu Nasuada aufnehmen
und bat sie, dir und Saphira meine Einladung zu überbringen, aber
sie schlug es mir ab. Sie fürchtete, es könnte dich von deinen
Aufgaben abhalten. Ich kann es ihr nicht verübeln, aber ich
wünschte, der Krieg hätte es dir erlaubt, bei unserer Vermählung
anwesend zu sein, so wie wir gerne zur Hochzeit deines Cousins
angereist wären, denn wir sind jetzt alle miteinander verwandt,
wenn schon nicht durch Blut, dann doch durch das Gesetz.«
In ihrem breiten Akzent sagte Hvedra:
»Betrachte mich bitte als deine Schwägerin, Schattentöter. Solange
es in meiner Macht steht, wird man dich in Bregan stets wie ein
Mitglied unserer Familie behandeln und dir Zuflucht gewähren,
selbst wenn Galbatorix persönlich hinter dir her ist.«
Gerührt verbeugte sich Eragon. »Das ist sehr
freundlich von dir.« Er machte eine Pause. »Wenn du mir die Frage
erlaubst, warum habt ihr gerade jetzt geheiratet?«
»Wir wollten uns eigentlich erst im Frühjahr
vermählen, aber...«
»Aber«, unterbrach Orik sie in seiner
schroffen Art, »die Urgals griffen Farthen Dûr an und danach musste
ich auf Hrothgars Geheiß mit dir nach Ellesméra. Als der Clan mich
dann nach meiner Rückkehr zum neuen Grimstborith ernannte, hielten
wir es für den perfekten Zeitpunkt, in den Stand der Ehe zu treten.
Keiner von uns weiß, ob er das Jahr überleben wird, warum also
länger warten?«
»So bist du wirklich Oberhaupt eures Clans
geworden«, sagte Eragon.
»Ja. Eine Woche lang haben sie hin und her
überlegt, aber am Ende fassten sie den fast einstimmigen Beschluss,
dass ich Hrothgars Nachfolge als Grimstborith des Dûrgrimst
Ingietum antreten sollte, da ich sein einziger rechtmäßiger Erbe
bin.«
Nun saß Eragon neben Orik und Hvedra, aß
Brot und Hammelfleisch, das die Zwerge ihm serviert hatten, und
beobachtete den Wettstreit, der vor den Zuschauertribünen
ausgetragen wurde. Orik hatte ihm erklärt, dass es für eine
Zwergenfamilie, die das nötige Gold besitze, Sitte sei, zur
Unterhaltung ihrer Hochzeitsgäste Wettkämpfe zu veranstalten.
Hrothgars Familie war so reich, dass die Spiele nun schon drei Tage
andauerten und sich noch vier weitere Tage hinziehen würden. Sie
setzten sich aus den verschiedensten Disziplinen zusammen: Ringen,
Bogenschießen, Schwertkampf, unterschiedlichen Kraftproben und der
gerade stattfindenden, dem Ghastgar.
Von den gegenüberliegenden Seiten eines
Grasfelds ritten zwei Zwerge, die auf weißen Feldûnost saßen,
aufeinander zu. Die gehörnten Bergziegen flogen förmlich über das
Gras, jeder ihrer Hüpfer trug sie mehr als siebzig Fuß weit. Der
von rechts kommende Zwerg trug einen kleinen Rundschild am linken
Arm, hatte aber keine Waffe. Sein Gegner hatte einen Speer, dafür
aber keinen Schild.
Eragon hielt den Atem an, während die
Feldûnost aufeinander zusprangen. Als sie nur noch dreißig Fuß
voneinander entfernt waren, holte der Zwerg mit dem Speer aus und
schleuderte ihn seinem Kontrahenten entgegen. Dieser versuchte gar
nicht erst, sich mit seinem Schild zu schützen, sondern beugte sich
vor und pflückte den Speerschaft mit erstaunlichem Geschick aus der
Luft. Triumphierend reckte er ihn in die Höhe. Die am Feldrand
versammelten Zuschauer jubelten und auch Eragon klatschte
begeistert.
»Das war meisterhaft!«, rief Orik. Lachend
trank er seinen Becher Met leer, sein Kettenhemd schimmerte im
frühabendlichen Licht. Er trug einen mit Gold, Silber und Rubinen
verzierten Helm und an den Fingern fünf große Ringe. An der Hüfte
hing die allgegenwärtige Streitaxt. Hvedra war noch prächtiger
herausgeputzt: Sie trug ein wallendes, kunstvoll besticktes
Bordürenkleid, Perlen- und verschlungene Goldketten um den Hals und
im Haar einen Schildpattkamm, der mit einem Smaragd, so groß wie
Eragons Daumen, besetzt war.
Eine Reihe Zwerge erhob sich und blies in
geschwungene Hörner, deren Töne blechern von den Bergen
widerhallten. Dann trat ein breitschultriger Zwerg vor und
verkündete, natürlich in der Sprache der Zwerge, den Gewinner der
letzten Runde sowie die Namen der Kontrahenten, die als Nächstes im
Ghastgar gegeneinander antreten würden.
Als der Zeremonienmeister fertig war, beugte
Eragon sich zu Hvedra hinüber und fragte: »Wirst du uns nach
Farthen Dûr begleiten?«
Lächelnd schüttelte sie den Kopf. »Ich kann
nicht. Ich muss hierbleiben und mich um die Angelegenheiten des
Clans kümmern, damit Orik bei seiner Rückkehr nicht hungernde
Krieger und leere Goldtruhen vorfindet.«
Schmunzelnd hielt Orik einem der
bereitstehenden Diener seinen Becher entgegen. Der Zwerg eilte
herbei und füllte das Gefäß mit frischem Met aus einem Krug. An
Eragon gewandt, sagte Orik stolz: »Hvedra übertreibt nicht. Sie ist
nicht nur meine Gattin, sie ist... Ach, ich weiß nicht, wie ich das
in deiner Sprache ausdrücken soll. Sie ist die Grimstcarvlorss
unseres Clans. Grimstcarvlorss bedeutet: ›Vorsteherin eines
Hauses‹. Ihre Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Familien
unseres Clans die vereinbarten Abgaben an die Festung Bregan
leisten und dass unsere Herden zur rechten Zeit auf die Felder
getrieben werden, dass uns die Vorräte nicht ausgehen, die Frauen
des Ingietum genügend Tuch weben, unsere Krieger gut ausgerüstet
sind und unsere Schmiede immer genug Erz für die Eisengewinnung
haben, kurz gesagt, dass unser Clan gut geführt wird und blüht und
gedeiht. Ein Sprichwort meines Volkes lautet: Eine gute
Grimstcarvlorss erschafft einen Clan erst -«
»Und eine schlechte zerstört ihn«, sagte
Hvedra.
Orik lächelte und nahm ihre Hand. »Und meine
Hvedra ist die beste Grimstcarvlorss von allen. Es ist kein
geerbter Titel. Man muss ihn sich verdienen. Und es kommt nur
selten vor, dass die Frau eines Clan-Oberhaupts die Grimstcarvlorss
ist. Auch in dieser Hinsicht habe ich großes Glück.« Er und Hvedra
beugten sich vor und rieben die Nasen aneinander. Eragon sah
woanders hin, fühlte sich plötzlich einsam und ausgeschlossen. Orik
lehnte sich zurück und trank einen Schluck Met. »Es hat in unserer
Geschichte viele große Grimstcarvlorssn gegeben. Es heißt immer,
das Einzige, wozu wir Clan-Oberhäupter gut sind, ist, uns
gegenseitig den Krieg zu erklären. Daher ist es den
Grimstcarvlorssn ganz recht, wenn wir unsere Zeit mit kleinlichem
Gezänk verbringen, damit wir uns nicht in ihre Arbeit einmischen
können.«
»Ach was, Skilfz Delva«, schalt Hvedra. »Du
weißt, dass das nicht stimmt. Zumindest wird es bei uns beiden
nicht so sein.«
»Mhm«, machte Orik und legte die Stirn an
Hvedras. Wieder rieben die beiden ihre Nasen aneinander.
Als die Zuschauermenge plötzlich anfing,
laut zu buhen und Schmährufe auszustoßen, richtete Eragon seine
Aufmerksamkeit wieder auf den Ghastgar. Er sah, dass einer der
Wettkämpfer die Nerven verloren, sein Feldûnost in letzter Minute
herumgerissen und die Flucht ergriffen hatte. Der Zwerg mit dem
Speer verfolgte ihn, und als er nahe genug herangeritten war,
stellte er sich in den Steigbügeln auf, schleuderte die Waffe und
traf seinen Gegner von hinten in die linke Schulter. Mit einem
Aufschrei kippte der Zwerg von seiner Ziege, lag nun auf der Seite
und packte den Speerschaft, dessen Spitze sich ihm tief ins Fleisch
gebohrt hatte. Ein Heiler eilte zu ihm. Kurz darauf wandten die
Zuschauer sich von dem Spektakel ab.
Orik verzog angewidert den Mund. »Bah! Es
wird viele Jahre dauern, bis die Familie sich von der Schmach
reingewaschen hat, die ihr Sohn ihnen durch seine Feigheit angetan
hat. Es tut mir leid, dass du so eine verachtenswerte Tat
mitansehen musstest, Eragon.«
»Es ist niemals schön mitzuerleben, wie
jemand Schande über sich bringt.«
Während der nächsten beiden Runden saßen die
drei schweigend da, dann erschreckte Orik Eragon, als er ihn
unvermittelt an der Schulter packte. »Hättest du Lust, dir einen
steinernen Wald anzuschauen, Eragon?«
»So etwas gibt es doch gar nicht. Außer er
wurde gemeißelt.« Orik schüttelte den Kopf, seine Augen blitzten.
»Er ist nicht gemeißelt und es gibt ihn. Also noch einmal, hättest
du Lust, dir einen steinernen Wald anzuschauen?«
»Falls das kein Scherz ist... ja, natürlich
habe ich Lust.«
»Ah, das freut mich. Ich scherze nicht, und
ich verspreche dir, dass wir morgen zwischen Bäumen aus Granit
wandeln werden, bevor wir nach Farthen Dûr weiterziehen. Der
steinerne Wald ist eines der großen Wunder des Beor-Gebirges.
Jeder, der beim Dûrgrimst Ingietum zu Gast ist, sollte Gelegenheit
haben, ihn zu besuchen.«
Am nächsten Morgen stieg Eragon aus dem zu
kleinen Bett in seinem Steinzimmer mit der niedrigen Decke und den
winzigen Möbeln, wusch sich mit kaltem Wasser das Gesicht und
schickte aus reiner Gewohnheit seinen Geist zu Saphira aus. Er
spürte nur die Gedanken der Zwerge und Tiere in der und rund um die
Festung. Schwankend beugte er sich vor und umfasste die
Beckenkante, überwältigt von seiner Einsamkeit. So blieb er stehen
und konnte an nichts anderes mehr denken, bis ihm schummrig wurde
und vor seinen Augen rote Punkte zu tanzen begannen. Keuchend holte
er Luft.
Auf dem Rückweg vom
Helgrind habe ich Saphira auch schrecklich vermisst, aber da wusste
ich wenigstens, dass ich sie bald wiedersehen würde. Diesmal aber
führt meine Reise mich fort von ihr, und es steht in den Sternen,
wann wir wieder vereint sein werden.
Er schüttelte sich, dann kleidete er sich an
und durchschritt die verschlungenen Gänge der Festung. Vor den
Zwergen, denen er begegnete, verbeugte er sich höflich, während sie
ihn ihrerseits freudig mit »Argetlam!« begrüßten.
Er traf Orik und zwölf weitere Zwerge im
Innenhof der Festung. Sie waren dabei, ihre robusten Ponys zu
satteln, deren Atem weiße Dunstwölkchen in der kühlen Morgenluft
bildete. Neben den kleinen, kräftigen Männern fühlte sich Eragon
wie ein Riese.
Orik begrüßte ihn. »Wir haben einen Esel im
Stall, falls du reiten möchtest.«
»Nein, wenn du nichts dagegen hast, gehe ich
weiterhin zu Fuß.«
Orik zuckte mit den Schultern. »Wie du
möchtest.«
Als sie bereit zum Aufbruch waren, kam
Hvedra mit wehendem Kleid die Stufen vom Eingang zur Haupthalle der
Festung herabgeeilt und reichte Orik ein mit filigraner Goldarbeit
verziertes Elfenbeinhorn. »Es hat meinem Vater gehört, als er unter
Grimstborith Aldhrim ritt. Ich schenke es dir, damit du mich in
Farthen Dûr nicht vergisst.« Sie sagte leise ein paar Worte in der
Zwergensprache, dann legte Orik seine Stirn an ihre. Danach
richtete der Zwerg sich im Sattel auf, legte das Horn an die Lippen
und blies hinein. Ein tiefer Ton erklang und schwoll an, bis die
Luft im Innenhof zu vibrieren schien. Oben am Turm stiegen zwei
schwarze Raben auf und krächzten. Der Klang des Horns machte Eragon
ganz unruhig; er wollte endlich aufbrechen.
Noch einmal ruhte sein Blick auf Hvedra,
dann gab Orik seinem Pony die Sporen, ritt durch das Haupttor der
Festung und wandte sich nach Osten in Richtung Talschluss. Eragon
und die zwölf Zwerge folgten ihm.
Während der nächsten drei Stunden folgten
sie einem ausgetretenen Pfad an der Flanke des Thardûr entlang und
gewannen langsam an Höhe. Die Zwerge holten aus ihren Ponys heraus,
was möglich war, ohne sie zu schinden, trotzdem waren sie für
Eragons Empfinden schrecklich langsam. Auch wenn es ihn
frustrierte, beschwerte er sich nicht darüber. Er würde sein Tempo
immer drosseln müssen, wenn er nicht gerade alleine oder in der
Gesellschaft von Elfen oder Kull unterwegs war.
Fröstelnd zog er sich den Umhang enger um
den Leib. Die Sonne war noch nicht über dem Beor-Gebirge
aufgetaucht, daher war es unangenehm kühl, obwohl die Mittagsstunde
nicht mehr fern war.
Schließlich erreichten sie ein über tausend
Fuß breites Plateau aus Granit, das auf der rechten Seite von einer
steil aufragenden Felswand aus natürlich entstandenen achteckigen
Säulen begrenzt wurde. Wallende Nebelschwaden verbargen das ferne
Ende des Steinfelds.
Orik hob den Arm. »Schau, Az
Knurldrâthn.«
Eragon runzelte die Stirn. Wo er auch
hinblickte, er konnte an diesem kargen Ort weit und breit nichts
Interessantes entdecken. »Ich sehe keinen steinernen Wald.«
Orik stieg ab und reichte dem Krieger hinter
ihm die Zügel. »Wenn du bitte mitkommen würdest, Eragon.«
Gemeinsam gingen sie auf die hellen
Nebelschwaden zu, wobei Eragon seine Schritte an Oriks anpasste.
Kühl und feucht strich der Dunst ihm übers Gesicht. Schließlich
wurde der Nebel so dicht, dass das restliche Tal völlig verschwand
und sie sich in einer konturlosen grauen Einöde wiederfanden, in
der es kein oben und unten mehr zu geben schien. Orik stiefelte
unbeirrt weiter. Eragon dagegen fühlte sich orientierungslos und
ein bisschen unsicher. Vorsichtig tastete er sich mit
ausgestreckter Hand voran, um nicht gegen etwas zu stoßen, das sich
im Nebel verbarg.
Orik blieb vor einem feinen Riss im
Granitboden stehen. »Was siehst du jetzt?«, fragte er.
Eragon kniff die Augen zusammen und blickte
sich um, aber der Nebel schien genauso undurchdringlich wie zuvor.
Er wollte es schon aussprechen, als ihm zu seiner Rechten eine
leichte Unregelmäßigkeit im Dunst auffiel, ein schwaches Muster aus
Hell und Dunkel, das nicht mit den Nebelschwaden hin und her
waberte. Dann bemerkte er andere Stellen, an denen das Spiel aus
Licht und Schatten ebenso beständig war, ohne dass er dabei aber
irgendwelche Formen hätte erkennen können.
»Ich kann nichts...«, setzte er an, als ihm
ein Windstoß das Haar zerzauste und die Nebelmassen
auseinanderriss. Da fügten sich die unzusammenhängenden dunklen
Flächen zu den Stämmen großer, aschfarbener Bäume mit kahlen,
geborstenen Ästen zusammen. Dutzende dieser Bäume umstanden ihn und
Orik; die bleichen Skelette eines uralten Waldes. Eragon legte die
Hand auf einen der Stämme. Die Rinde war so hart und kalt wie Stein
und von blassen Flechten überwuchert. Er verspürte ein Kribbeln im
Nacken. Obwohl er sich nicht für übermäßig abergläubisch hielt,
ließen der geisterhafte Nebel, das unheimliche Halbdunkel und das
Auftauchen der Bäume selbst - so düster und unheilvoll und
rätselhaft - ihn erbeben.
Er befeuchtete seine trockenen Lippen und
fragte: »Wie ist der Wald entstanden?«
Orik zuckte mit den Schultern. »Einige
behaupten, Gûntera habe ihn wachsen lassen, als er aus dem Nichts
Alagaësia erschaffen hat. Andere meinen, die Bäume seien Helzvogs
Werk, denn Stein ist sein bevorzugtes Element. Wieder andere sagen,
nein, dies waren einst gewöhnliche Bäume. Vor Äonen wurden sie bei
einer großen Katastrophe verschüttet und im Laufe der Jahre wurde
aus Holz Erde und aus Erde Stein.«
»Ist so etwas möglich?«
»Das wissen nur die Götter. Wer außer ihnen
kennt das Warum und Wofür der Welt?« Orik breitete die Arme aus.
»Vor über tausend Jahren haben unsere Vorfahren hier beim
Granitabbau die ersten versteinerten Bäume entdeckt. Dann legte
Grimstborith Hvalmar Lackhand die Mine still und ließ die
Steinmetze stattdessen die Bäume aus dem Stein meißeln. Als an die
fünfzig Bäume freigelegt waren, wurde Hvalmar klar, dass es im
Thardûr Hunderte oder gar Tausende davon geben mochte, und er
stellte die Arbeiten ein. Seitdem hat dieser Ort die Fantasie
meines Volkes beflügelt, und Knurlan aller Clans reisen hierher, um
neue Bäume aus dem Granit zu befreien. Einige Knurlan widmen dieser
Aufgabe sogar ihr ganzes Leben. Auch wurde es zur Tradition,
aufmüpfige Zwergenjungen herzuschicken und sie unter der Aufsicht
eines Steinmetzmeisters ein oder zwei Bäume heraushauen zu
lassen.«
»Das klingt ziemlich mühselig.«
»Es gibt den Jungen Gelegenheit, ihre
Missetaten zu bereuen.« Orik strich sich über den geflochtenen
Bart. »Als übermütiger Junge von vierunddreißig Jahren habe auch
ich hier einige Monate verbringen müssen.«
»Und, hasst du deine Missetaten
bereut?«
»Eta. Nein. Dafür war die Arbeit viel
zu mühselig. Als ich nach all
den Wochen erst einen einzigen Ast aus dem Granit geborgen hatte,
bin ich fortgelaufen und habe mich einer Gruppe von Vrenshrrgn
angeschlossen.«
»Zwergen aus dem Vrenshrrgn-Clan?«
»Ja, genau, Knurlan aus dem Clan Vrenshrrgn,
Kriegswölfe oder Wölfe des Krieges, wie auch immer man es in deiner
Sprache ausdrücken will. Ich schloss mich ihnen an, betrank mich
mit Bier, und als sie Nagran jagen wollten, beschloss ich, auch ein
Riesenwildschwein zu töten und es Hrothgar zu schenken, um seinen
Zorn auf mich zu besänftigen. Das war nicht sonderlich klug von
mir. Selbst unsere fähigsten Krieger fürchten die Nagra-Jagd und
ich war immer noch mehr ein Junge als ein Mann. Nachdem ich wieder
nüchtern war, schalt ich mich einen Tor, aber ich hatte geschworen,
ein Nagra zu erlegen, und mir blieb gar nichts anderes übrig, als
meinen Schwur zu erfüllen.«
Als Orik eine Pause einlegte, fragte Eragon:
»Und wie ging es aus?«
»Oh, mithilfe der Vrenshrrgn habe ich ein
Nagra getötet, aber der Keiler hat mir seine Hauer in die Schulter
geschlagen und mich ins Geäst des nächsten Baumes geschleudert. Die
Vrenshrrgn mussten uns beide, das Nagra und mich, nach Bregan
zurücktragen. Das Wildschwein erfreute Hrothgar, und ich... ich
musste trotz der Bemühungen unserer besten Heiler vier Wochen das
Bett hüten, wozu Hrothgar meinte, das sei Strafe genug für meinen
Ungehorsam.«
Eragon musterte seinen Zwergenfreund eine
Weile. »Du vermisst ihn, nicht wahr?«
Einen Moment lang senkte Orik den Blick,
dann hob er die Streitaxt und schlug mit dem Schaftende auf den
Granitboden. Der Schlag hallte zwischen den versteinerten Bäumen
wider. »Seit der letzte Dûrgrimstvren, der letzte Clan-Krieg, unser
Volk erschüttert hat, sind beinahe zweihundert Jahre vergangen,
Eragon. Aber bei Morgothals schwarzem Barte, wir stehen am Rande
eines neuen Krieges.«
»Ausgerechnet jetzt?«, rief Eragon
erschrocken aus. »Ist es wirklich so schlimm?«
Orik sah finster drein. »Schlimmer. Die
Spannungen zwischen den Clans sind größer denn je. Hrothgars Tod
und Nasuadas Angriff auf das Imperium haben Begehrlichkeiten
geweckt, uralte Rivalitäten wiederaufleben lassen und jene
gestärkt, die es für eine Torheit halten, unser Los mit dem der
Varden zu verbinden.«
»Aber wie können sie das glauben, wo
Galbatorix Tronjheim doch schon mit den Urgals angegriffen
hat?«
»Weil sie überzeugt sind, dass man
Galbatorix nicht besiegen kann«, sagte Orik. »Und dieses Argument
hat für mein Volk großes Gewicht. Könntest du mir denn versichern,
dass du Galbatorix bezwingen würdest, wenn er in diesem Augenblick
vor dir und Saphira erschiene?«
Eragon schnürte es die Kehle zu.
»Nein.«
»Das dachte ich mir. Diejenigen unter uns,
die gegen die Varden sind, verschließen die Augen vor der
Wirklichkeit. Sie glauben, Galbatorix hätte keinen Grund, gegen uns
Krieg zu führen, wenn wir den Varden keinen Unterschlupf gewährt
und dich und Saphira nicht im schönen Tronjheim aufgenommen hätten.
Sie sagen, wir hätten nichts von Galbatorix zu befürchten, wenn wir
unter uns bleiben und uns in unsere Höhlen und Tunnel zurückziehen.
Sie begreifen nicht, dass Galbatorix’ Machthunger unersättlich ist
und er keine Ruhe geben wird, bis ihm ganz Alagaësia zu Füßen
liegt.« Orik schüttelte den Kopf, und an seinen Unterarmen traten
die Muskeln hervor, als er das Axtblatt zwischen die dicken Finger
klemmte. »Ich werde nicht zulassen, dass unser Volk sich in Tunneln
versteckt wie verängstigte Hasen, bis der Wolf sich hereinwühlt und
uns alle auffrisst. Wir müssen den Kampf fortführen, in der
Hoffnung, dass wir einen Weg finden, Galbatorix zu töten. Und ich
werde nicht zulassen, dass unser Volk sich in einem neuen
Clan-Krieg aufreibt. Unter den gegenwärtigen Umständen würde ein
weiterer Dûrgrimstvren die Zwergennation auslöschen und
wahrscheinlich auch den Untergang der Varden nach sich ziehen.« Mit
hochgerecktem Kinn wandte er sich Eragon zu. »Zum Wohle unseres
Volkes werde ich selbst nach dem Thron streben. Die Dûrgrimstn
Gedthrall, Ledwonnû und Nagra haben mir bereits ihre Unterstützung
zugesichert. Gleichwohl stehen noch viele Clans zwischen mir und
der Krone. Es wird nicht leicht werden, genügend Stimmen zu
sammeln, um König zu werden. Ich muss wissen, ob du mich in dieser
Sache unterstützt, Eragon.«
Mit verschränkten Armen schritt der
Drachenreiter zwischen den Bäumen auf und ab. »Meine Unterstützung
könnte die anderen Clans gegen dich aufbringen. Du würdest von
deinem Volk nicht nur verlangen, sich weiterhin mit den Varden
zusammenzutun, du würdest auch von ihnen verlangen, einen
Drachenreiter als einen der ihren zu akzeptieren. Das haben sie
noch nie getan, und ich bezweifle, dass sie es jetzt tun
werden.«
»Ich weiß. Deine Fürsprache könnte mir
schaden«, sagte Orik, »aber sie könnte mir auch die Stimmen einiger
Clans einbringen. Überlass das Urteil darüber mir. Ich möchte nur
wissen, ob du mich unterstützt. Eragon, warum zögerst du?«
Er wich Oriks Blick aus und starrte auf eine
knorrige Wurzel, die zu seinen Füßen aus dem Granit ragte. »Du
sorgst dich um das Wohl deines Volkes und das ist gut so. Aber ich
muss die Dinge in einem größeren Zusammenhang sehen. Ich muss auch
an die Varden, Elfen und alle anderen denken, die sich gegen
Galbatorix auflehnen. Falls... falls es sich als unwahrscheinlich
erweist, dass du die Krone gewinnst, und es einen
aussichtsreicheren Kandidaten gibt, der einer Allianz mit den
Varden nicht verständnislos gegenübersteht, dann -«
»Kein anderer Grimstborith könnte ein
verständnisvollerer Freund der Varden sein als ich!«
»Das bezweifle ich ja nicht«, sagte Eragon.
»Aber falls es so käme, wie ich sage, und meine Unterstützung ein
Clan-Oberhaupt auf den Thron bringen könnte, das den Varden
wohlgesinnt ist, sollte ich dann nicht zum Wohle deines Volkes und
zum Wohle ganz Alagaësias auf den Zwerg setzen, der die besten
Erfolgschancen hat?«
Mit tödlich leiser Stimme sagte Orik: »Du
hast einen Blutschwur auf das Knurlnien geleistet, Eragon. Nach
unserem Gesetz bist du ein Mitglied des Dûrgrimst Ingietum, sosehr
das manchen auch missfallen mag. Was Hrothgar getan hat, als er
dich adoptierte, ist erstmalig in unserer Geschichte. Es lässt sich
auch nicht mehr rückgängig machen, außer wenn ich dich als
Grimstborith aus unserem Clan verstoße. Wenn du dich gegen mich
wendest, Eragon, stellst du mich vor unserem ganzen Volk bloß, und
niemand wird jemals wieder meine Führerschaft anerkennen. Mehr
noch, du würdest deinen Kritikern den Beweis liefern, dass wir
einem Drachenreiter nicht vertrauen können. Clan-Mitglieder
verraten einander nicht an andere Clans, Eragon. So etwas tut man
nicht, außer man möchte eines Nachts mit einem Messer in der Brust
aufwachen.«
»Drohst du mir?«, fragte Eragon ebenso
leise.
Orik fluchte und schlug erneut mit der Axt
auf den Granit. »Nein! Ich würde niemals die Hand gegen dich
erheben, Eragon! Du bist wie ein Bruder für mich. Du bist der
einzige Drachenreiter, der nicht unter Galbatorix’ finsterem
Einfluss steht, und verdammt noch mal, auf unseren gemeinsamen
Reisen bist du mir zum Freund geworden. Aber dass ich dir niemals
etwas antun würde, bedeutet nicht, dass die übrigen Mitglieder des
Ingietum genauso nachsichtig wären. Das ist keine Drohung, sondern
eine Feststellung. Du musst das verstehen, Eragon. Sollte der Clan
erfahren, dass du einen anderen Kandidaten unterstützt, kann ich
für nichts garantieren. Du bist unser Gast und die Gebote der
Gastfreundschaft schützen dich. Doch wenn du dich gegen den
Ingietum aussprichst, wird sich der Clan von dir hintergangen
fühlen, und es ist bei uns nicht üblich, einen Verräter in unseren
Reihen zu dulden. Begreifst du das, Eragon?«
»Was erwartest du von mir?«, schrie Eragon.
Er warf die Arme hoch und stapfte vor Orik auf und ab. »Ich habe
Nasuada gegenüber ebenfalls einen Schwur geleistet und gewisse
Befehle von ihr erhalten.«
»Aber dem Dûrgrimst Ingietum bist du auch
verpflichtet!«, brüllte Orik.
Eragon blieb stehen und starrte den Zwerg
an. »Soll ich ganz Alagaësia dem Untergang weihen, nur damit du
dein Ansehen bei den Clans nicht verlierst?«
»Beleidige mich nicht!«
»Dann verlang du nicht Unmögliches von mir!
Ich unterstütze dich, falls deine Aussichten auf den Thron es
rechtfertigen, und wenn nicht, dann nicht. Du sorgst dich um deinen
Clan und um euer Volk als Ganzes, ich aber sorge mich um euch und
um ganz Alagaësia.« Eragon ließ sich
gegen einen kalten Baumstamm fallen. »Ach, was soll ich nur tun,
Orik? Ich weiß doch, dass ich es mir nicht erlauben kann, dich oder
deinen - ich meineunseren - Clan
oder den Rest des Zwergentums zu verärgern.«
In sanfterem Ton sagte Orik: »Es gibt noch
eine andere Möglichkeit, Eragon. Es wäre nicht einfach für dich,
aber es würde dein Dilemma lösen.«
»Und welch erstaunliche Lösung soll das
sein?«
Orik schob die Axt unter den Gürtel, trat zu
Eragon, nahm seine Unterarme in die Hände und blickte unter den
buschigen Brauen zu ihm auf. »Vertrau mir, dass ich das Richtige
tun werde, Eragon Schattentöter. Sei mir gegenüber so loyal, als
wärst du von Geburt an ein Mitglied des Ingietum. Wer mir
untersteht, würde niemals auch nur erwägen, sich zugunsten eines
anderen Clans gegen seinen eigenen Grimstborith zu wenden. Wie ein
Clan-Oberhaupt den Fels schlägt, ist seine Sache, aber das heißt
nicht, dass ich deine Sorgen nicht verstehe.« Für einen Moment
senkte er den Blick. »Wenn ich nicht König werden kann, dann sei
versichert, dass ich mich vom Hunger nach Macht nicht blenden
lasse. Ich werde es erkennen, wenn mein Ansinnen gescheitert ist.
Sollte das eintreten - was ich nicht glaube -, dann werde ich meine
Unterstützung einem anderen Kandidaten gewähren, denn ich bin
genauso wenig daran interessiert wie du, dass ein Grimstnzborith
gewählt wird, der den Varden feindlich gesinnt ist. Und wenn ich
die Macht und das Ansehen meines Clans in die Waagschale werfe, um
einem anderen Grimstborith zum Thron zu verhelfen, schließt das das
Gewicht deiner Person mit ein, denn du gehörst zum Ingietum. Du
hättest deinen Willen und wir alle hätten das Gesicht gewahrt.
Vertraust du mir, Eragon? Akzeptierst du mich als deinen
Grimstborith, so wie es auch der Rest des Clans tut?«
Seufzend lehnte Eragon den Kopf gegen den
rauen Baum und blickte zu den krummen, in Nebel gehüllten Ästen
auf. Vertrauen. Von allem, um
das Orik ihn hätte bitten können, konnte er ihm das am schwersten
zusagen. Er mochte den Zwerg, sehr sogar. Aber sich dessen
Autorität zu unterwerfen, wo so viel auf dem Spiel stand, würde
bedeuten, noch mehr von seiner Freiheit aufzugeben. Das gefiel ihm
ganz und gar nicht. Und mit seiner Freiheit würde er auch einen
Teil seiner Verantwortung für das Schicksal Alagaësias aufgeben.
Eragon kam sich vor, als hinge er über einem Abgrund, und Orik
versuchte, ihn davon zu überzeugen, dass wenige Fuß unter ihm ein
Fangnetz wäre, aber er - Eragon - konnte sich nicht überwinden
loszulassen, weil er fürchtete, ins Verderben zu stürzen.
»Ich werde dir kein willfähriger Diener
sein, den du nach Belieben herumkommandieren kannst«, sagte er.
»Wenn es um Dinge geht, die unseren Clan betreffen, werde ich mich
dir unterordnen, aber bei allen anderen Angelegenheiten hast du mir
nichts zu sagen.«
Orik nickte mit ernster Miene. »Was mir
Sorge bereitet, ist nicht die Mission, auf die dich Nasuada
geschickt hat, oder wen du im Kampf gegen das Imperium alles töten
wirst. Nein, was mich in der Nacht wachhält, wenn ich eigentlich so
tief und fest schlafen sollte wie ein Arghen in seiner Höhle, ist
der Gedanke, du könntest versuchen, beim Clan-Treffen die Wahl des
neuen Zwergenkönigs zu beeinflussen. Deine Absichten sind
ehrenwert, das weiß ich, aber ob ehrenwert oder nicht, du kennst
dich in unserer Politik nicht aus, ganz gleich, wie gut Nasuada
dich instruiert haben mag. Auf diesem Gebiet bin ich der Fachmann,
Eragon. Lass mich so agieren, wie ich es für richtig halte. Darauf
hat Hrothgar mich mein Leben lang vorbereitet.«
Eragon seufzte, und mit dem Gefühl, nun doch
loszulassen und zu fallen, sagte er: »Na schön. Ich werde tun, was
du in dieser Angelegenheit für das Beste hältst, Grimstborith
Orik.«
Ein breites Lächeln erschien auf den Zügen
des Zwerges. Er verstärkte den Griff um Eragons Unterarme, dann
ließ er ihn los. »Ich danke dir, Schattentöter. Du weißt gar nicht,
was mir das bedeutet. Du tust das Richtige, und ich werde es dir
nicht vergessen, selbst wenn ich zweihundert Jahre alt werde und
mein Bart so lang ist, dass er über den Boden schleift.«
Obwohl ihm nicht ganz wohl in seiner Haut
war, lächelte Eragon. »Nun, ich hoffe nicht, dass er so lang wird.
Du würdest ja ständig stolpern!«
»Kann schon sein«, erwiderte Orik lachend.
»Im Übrigen würde Hvedra ihn mir stutzen, sobald er mir bis zu den
Knien reicht. Sie hat eine genaue Vorstellung davon, wie lang ein
Bart sein darf.«
Orik führte ihn durch den Nebel aus dem
steinernen Wald und kehrte mit ihm zu den zwölf Zwergenkriegern
zurück. Dann machten sie sich an den Abstieg. Unten angekommen,
querten sie das Tal und gelangten auf der gegenüberliegenden Seite
zu einem Tunneleingang, der so geschickt in der Felswand verborgen
war, dass Eragon ihn allein niemals entdeckt hätte.
Mit einigem Bedauern tauschte er den hellen
Sonnenschein und die frische Bergluft gegen die Dunkelheit des
Berginnern ein. Der Gang war acht Fuß breit und sechs Fuß hoch -
was für Eragons Verhältnisse ziemlich niedrig war -, und wie alle
Zwergentunnel, die er kannte, verlief er schnurgerade, ohne eine
einzige Biegung. Er schaute über die Schulter zurück und sah gerade
noch, wie der Zwerg Farr die Granitplatte zuschob, die als Tür
diente. Dann war es stockfinster. Im nächsten Augenblick
erstrahlten vierzehn Lichter in verschiedenen Farben, als die
Zwerge flammenlose Laternen aus den Satteltaschen holten. Orik
reichte Eragon eine.
Dann setzten sie sich in Bewegung. Das
Hufgetrappel der Ponys erfüllte den engen Gang mit donnernden
Echos, die sie anzubrüllen schienen wie zornige Gespenster. Eragon
verzog das Gesicht. Diesen Lärm würde er nun den ganzen Weg bis
Farthen Dûr ertragen müssen, das am anderen Ende des Tunnels lag.
Er zog die Schultern hoch, verstärkte den Griff um die Tragegurte
seines Rucksacks und wünschte, er würde mit Saphira hoch am
azurblauen Himmel fliegen.